Erinnerungen an die Zukunft:

Ursula Döbereiners Installation Spaces into Spaces

Space is all one space and thought is all one thought, but my mind divides its spaces into spaces into spaces and thoughts into thoughts into thoughts. Andy Warhol, From A to B and Back Again, 1975

In fast heiterer Gelassenheit kreist die Raumstation auf ihrer Umlaufbahn und vermittelt ein erhabenes Gefühl von Ruhe und Ordnung. Zu der mit Johann Straus’ Walzer An der schönen blauen Donau unterlegten Sequenz seines Films 2001 Odyssee im Weltraum bemerkte der Regisseur Stanley Kubrick, sie sei „eine Art von Maschinen-Ballet“. So erscheinen sämtliche Bewegungen im Weltraum in formvollendeter Schönheit: Auf seiner Fahrt zum Mond wird der Wissenschaftler Dr. Floyd von einer Kellnerin bedient, die Flüssignahrung serviert, die durch einen Strohhalm aufgenommen wird, damit die Partikel nicht durch den Raum schweben. Während sie die Tabletts in das Cockpit der Piloten trägt, bewegt sie sich kopfüber und scheint an der Decke zu gehen. Fixe Richtungen wie „oben“ oder „unten“ haben ihre Bedeutung verloren, in der Schwerelosigkeit scheint auch das konventionelle, vertikal ausgerichtete Design eines Raumschiffs überfällig geworden.

Spaces into Spaces heißt die Raum-Installation der Berliner Künstlerin Ursula Döbereiner, mit der sich die Deutsche Bank Art auf der diesjährigen Frieze Art Fair in London präsentiert: Überlebensgroß lässt Döbereiner in ihrer Raumarbeit das gerasterte und gedoppelte Image von Kubricks kosmischer Kellnerin erscheinen. Der Messestand gleicht einer riesigen, begehbaren Zeichnung, die durch ihre ungewohnten Proportionen für den Besucher geradezu körperlich erfahrbar wird. Spaces into Spaces verbindet den persönlichen Duktus der Handzeichnung mit direkt am Computer generierten Umrissen, die als Motive und Muster auf Wandtapeten überdimensional vergrößert werden. Die Tapete als klassische Wohnraumdekoration ist gleichzeitig zeichnerische Konstruktion und reale Einrichtung. In einem All-Over aus reproduzierten Film-Stills, Zeitungsbildern, Motiven aus dem Internet, die sich mit der stilisierten Darstellung von Verstärkern, Kabeln und technischen Instrumenten überlagern, thematisiert Döbereiner vergangene Utopien. Es ist noch gar nicht so lange her, als wir noch eine Zukunft hatten – eine Zukunft, die man sich ganz konkret vorstellen konnte, als Ort, der eine Form besitzt, eine Struktur, einen Stil. Die Zukunft war eine Welt, die von einem ausgeprägten Design bestimmt war. Diese Welt hatte ihre eigene Sprache, ihre eigene Technologie. Sie war ein anderes Land, in dem sich die Menschen anders kleideten, aßen, unterhielten, und dachten.

Fragen nach aktuellen Zukunftsvisionen verbinden sich mit einem Blick auf die hinfälligen Utopien von gestern: Bei der Annäherung an die riesigen Images von Spaces into Spaces tauchen tatsächlich überdimensionale Pixel auf, die jene Linien und Treppen bilden, aus denen sich das Bild konstituiert – ein abstraktes Muster unterschiedlich großer Rechtecke, das an die Low-Tech Animationen früherer Computerspiele wie "Pacman" erinnert. Durch den Einsatz digitaler Technologie nutzt die Künstlerin die Möglichkeiten der Collage mittels „Copy and Paste“, wobei der Computer ihr zum „Remixen“ der eigenen Zeichnungen dient.

Mittels dieser „Sampling-Technik“ transformieren Döbereiners Arbeiten die vorgefundenen Orte in Gedächtnisräume, in denen sich persönlicher Geschmack, autobiographische Elemente und die künstlerische Untersuchung des Mediums Zeichnung überlagern. Sie wendet dabei Techniken an, die zu Beginn der digitalen Revolution noch selbst als utopisch erschienen. Zugleich untersucht sie die Automatisierung künstlerischer Prozesse. Neben technischem Equipment aus dem Arbeitsraum von Wendy Carlos, die als elektronische Musikerin viele der bahn brechenden Soundtracks von Kubriks Filmen und Science-Fiction Streifen wie Tron komponierte, tauchen in Spaces into Spaces immer wieder Effektgeräte auf, die in der Musikproduktion genutzt werden: der Flanger, die Electric Mistress, oder der Phaser, der zugleich auch der fiktiven Waffe im Star Treck-Universum ihren Namen lieh.

Ausgangspunkte für Döbereiners Arbeiten bilden das zugleich konzentrierte und rauschhafte Nachvollziehen und Nachempfinden von Musikstilen, Filmbildern, Werbung, Platten-Covern und Images aus Magazinen. Während die Künstlerin Musik hört und gefundene oder selbst fotografierte Bilder aus ihrem Fundus nachzeichnet, versetzt sie sich in einen zugleich hypersensiblen wie auch distanzierten Zustand. Für ihre Installation Posterbox (2004) wurden Zeichnungen von Schmetterlingen am Computer überdimensional aufgeblasen und über Wände und Türen tapeziert, Freundinnen stellen die Star-Posen eines gesamten Vanity-Fair Magazins nach. Angetrieben von Musik entstehen Kugelschreiberlinien, Schraffuren psychedelischer Lichtreflexe, unscharfe Bewegungen. Ähnlich wie Marc Brandenburg und andere Berliner Künstler der jüngeren Generation nutzt die 1963 geborene Döbereiner Architekturen, massenmediale und alltägliche Images als Grundlage für Kompositionen, in denen die Grenzen zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion zerfließen. Hierbei verweisen die immer wieder auftretenden Pixelstrukturen auf die Darstellung im Computer und somit auf den binären Code, auf das Immaterielle, das Gedachte, Erinnerte oder Vorgestellte.

Der Weg führt in Döbereiners Arbeit hierbei vom Spezifischen zum Allgemeinen. Sie sei zwar keine Autorin, aber Ihr 2001 erschienenes Buch Autos/Filme/Frauen/Häuser/ Mode/Wohnen sei das das beste Stück deutscher Popliteratur seit langem, befand die Wochenzeitung Die Zeit und meinte damit auch die coole Attitüde, die Döbereiners Arbeit vermittelt. Es ist sicher kein Zufall, dass in Spaces into Spaces auch ein Image von Godards Zukunftsthriller Alphaville auftaucht: Nouvelle Vague-Filme, die verknappte Diktion der "Hard-Boiled" Literatur, Pulp Fiction finden sich als maßgebliche Einflüsse in ihrer künstlerischen Produktion wieder. Mit derselben kaltblütigen Energie, die Einzelgängern in Kriminalromanen zu eigen ist, erstellt sie "Profile" von Persönlichkeiten, Objekten, Gebäuden, Fotografien, Interieurs - abgezeichnete und digital reproduzierte Mutmaßungen, die auf Indizien beruhen. Döbereiner erzählt anonyme Geschichten aus unserer Zeit, die zugleich faktisch und schemenhaft sind, ebenso wie die persönlichen und kollektiven Erinnerungen, die sie hervorgebracht haben.

Oliver Koerner von Gustorf


Spaces into Spaces

Space is all one space and thought is all one thought, but my mind divides its spaces into spaces into spaces and thoughts into thoughts into thoughts. Andy Warhol, From A to B and Back Again, 1975

Spaces into Spaces is the title of the Berlin-based artist’s installation commissioned by Deutsche Bank Art to present itself at this year’s Frieze Art Fair: the fair stand resembles a huge, all-round drawing in which visitors are physically confronted with unaccustomed proportions. Spaces into Spaces combines the personal mark of the hand drawing with lines generated directly on the computer and enlarged to immense proportions as wallpaper motifs and patterns. A classical component of indoor living, wallpaper is both a drawn construction and a real-life furnishing element. In an allover comprised of reproduced film stills, newspaper images, and internet motifs superimposed with the stylized depiction of amplifiers, cables, and technical instruments, Döbereiner directs her attention to the social and technological utopias of the past.

For her installation, Döbereiner uses a larger-than-life screened and doubled image of the cosmic waitress from Kubrick’s 2001: A Space Odyssey. Carrying trays to the pilots’ cockpit, she turns upside-down and seems to be walking along the ceiling. In reference to the sequence, which is accompanied by Johann Strauss’ waltz The Blue Danube, the director remarked that it was "a kind of machine ballet." In Döbereiner’s work, this dream of automated progress appears as a media construction. Approaching the huge images of Spaces into Spaces, one recognizes the oversized pixels that make up the lines and zigzags constituting the image – an abstract pattern of large rectangles of varying size reminiscent of the low-tech animations of early computer games like Pacman.

Copy and Paste: Döbereiner’s collages are made with the aid of digital technology; her computer serves to "remix" her own hand drawings. By means of this "sampling technique," Döbereiner’s site-specific works transform the existing situation into memory and production spaces in which personal taste, autobiographical elements, and the artistic investigation of the medium of drawing overlap. In the process, she implements a technology that itself seemed utopian even at the dawn of the digital revolution. At the same time, she investigates the automation of artistic processes. Effect-generating devices used in music production repeatedly appear, such as the Flanger, the Electric Mistress, and the Phaser, which borrowed its name from the fictional weapon of the Star Trek universe – along with technical equipment from the working space of Wendy Carlos, the musician who composed many of the pioneering electronic soundtracks of Kubrick’s films.

The point of departure for Döbereiner’s works derives from a highly concentrated involvement in musical styles, film images, ads, record covers, and pictures from magazines. When the artist listens to music while drawing from the inventory of found images or those she has photographed herself, she immerses herself in a state that is at once hypersensitive and distanced.

For her installation Posterbox (2004), drawings of butterflies were blown up on the computer and wallpapered over walls and doors while girlfriends imitate the star poses of an entire issue of Vanity Fair and ballpoint-pen lines and shadings convey psychedelic light reflections and a blurry, music-driven motion. Like Marc Brandenburg and other young Berlin-based artists, Döbereiner, who was born in 1963, uses architecture, mass media, and everyday images as a basis for compositions in which the borders between representation and abstraction become blurred.

Döbereiner’s work leads us from the specific to the general. While she is not an author, the German weekly newspaper Die Zeit found her book Cars/Films/Women/Homes/Fashion/Living from 2001 to be the best example of German pop literature in a long time, by which they were referring to the cool attitude Döbereiner’s work imparts. It’s no accident that an image from Godard’s futurist thriller Alphaville appears in Spaces into Spaces: Nouvelle Vogue, the laconic diction of "hard-boiled" literature, pulp fiction are all determining influences that are reflected in her artistic production. With the same cold-blooded energy intrinsic to the lone wolves of crime novels, she creates "profiles" of personalities, objects, buildings, photographs, and interiors – drawn and digitally reproduced suppositions based on the available evidence. Döbereiner tells anonymous stories from our time which are both factual and sketchy, just as the personal and collective memories that gave rise to them.